Julieta
Pedro Almodóvar, Espagne, 2016o
Julieta s'apprête à quitter Madrid définitivement lorsqu'une rencontre fortuite avec Bea, l'amie d'enfance de sa fille Antía la pousse à changer ses projets. Bea lui apprend qu'elle a croisé Antía une semaine plus tôt. Julieta se met alors à nourrir l'espoir de retrouvailles avec sa fille qu'elle n'a pas vu depuis des années. Elle décide de lui écrire tout ce qu'elle a gardé secret depuis toujours. Julieta parle du destin, de la culpabilité, de la lutte d'une mère pour survivre à l'incertitude, et de ce mystère insondable qui nous pousse à abandonner les êtres que nous aimons en les effaçant de notre vie comme s'ils n'avaient jamais existé.
Comment vivre sans ceux que l’on aime ? C’est tout l’enjeu de ce film subtil, rare, intelligent et intense. La mise en scène d’Almodóvar, dépouillée de tout effet baroque, empoigne le spectateur dès le début pour ne plus le lâcher. Un coup de coeur.
Danielle AttaliAvec sa conclusion abrupte et amère, qui suggère une transmission de la culpabilité, le film s’éloigne des réussites consensuelles du cinéaste comme Parle avec elle ou Volver. Mais il fascine par cette alchimie entre la noirceur désenchantée du fond et l’éclat rédempteur de la forme.
Louis GuichardEs mag am Alter liegen, in dem Ruhe über einen kommt: Der Regisseur Almodóvar, geboren 1949, hat alles Schrille und Aufgeregte seiner wilden Jahre hier abgetan. Dies ist ein stiller, gedämpfter Film noch in seinen buntesten Momenten. Es scheint fast, als habe sich der Regisseur, der sich früher in lauten und farbigen Metaphern austobte, ästhetisch quasi gehäutet und zur leisen Poesie gefunden und zu einem feinen, empathischen Realismus.
Christoph SchneiderEmma Suárez und Adriana Ugarte spielen die alte und die junge Julieta in diesem Mutter-Tochter-Thriller, der ohne echtes Verbrechen bleibt, neutral und abgründig. Pedro Almodóvar verdichtet in einem seiner besten Filme drei Kurzgeschichten von Alice Munro zur Quintessenz seines Kinos: Wiederholung und Variation der gleichen Motive verleihen Leben - ob nun neuen Menschen oder alten Beziehungen.
Philipp StadelmaierGalerie photoso
Regisseur Pedro Almodóvar sagt, was er mit seinem neuen Film «Julieta» in Cannes erreichen will. Und wie er mit den Schweizer Bergen geschummelt hat.
Der Meister selber holt die Getränke. «Es gibt Cognac für Sie, aber er ist etwas hell», sagt Pedro Almodóvar und schenkt Mineralwasser in grosse Schwenker ein. Offenbar hat er in seiner Suite im Pariser Hotel George V gerade keine anderen Gläser gefunden. Egal, das ist originell und hat Stil – so wie sein neuer Film «Julieta», mit dem er zu den grossen Frauenthemen zurückkehrt: Es geht um eine Mutter und ihre Tochter, er ist kunstvoll verschachtelt, und Themen wie Liebe und Verlust stehen im Mittelpunkt. Der Regisseur, inzwischen 66-jährig, ist bestens gelaunt. Am Dienstag hat «Julieta» Premiere in Cannes, zwei Tage später läuft er bei uns in den Kinos an.
Immer, wenn Sie in Cannes antreten, gelten Sie als Favorit für die Goldene Palme.
Ich denke nicht in solchen Kategorien. Obwohl ich die Palme noch nie bekommen habe, will ich sie nicht um jeden Preis gewinnen. Aber ein wenig davon träumen darf ich, oder?
Sicherlich, «Julieta» ist ein starker Film.
Ja, aber die Konkurrenz scheint mir ebenfalls stark zu sein dieses Jahr. Das sehe ich daran, dass ich selber einige der Filme sofort sehen will. Eigentlich habe ich zwei Hoffnungen für Cannes: erstens auf der Höhe meiner Mitkonkurrenten zu sein, das wird vermutlich schon schwierig genug.
Und zweitens?
Kein Gramm zuzunehmen bis zur Premiere am Dienstag. Sonst komme ich nicht mehr in meinen Smoking rein...
«Julieta» basiert auf drei Kurzgeschichten der kanadischen Nobelpreisträgerin Alice Munro, die bekannt ist für ihren knappen Stil – keine offensichtliche Wahl für den oft ausschweifenden Almodóvar...
Stimmt, ich bin in der Regel ziemlich barock (kichert). Und doch gibt es etwas, das mich bei der Lektüre gleich angesprochen hat: Sie schreibt über Familien, wie ich. Faszinierend finde ich, wie sie in den Vordergrund stellt, was sich normalerweise im Alltag verbirgt. Sie beschreibt fürchterlich normale Handlungen, trotzdem öffnen sich dabei Abgründe. Ich denke, ich weiss auch, wieso sie darin so meisterhaft ist.
Wieso?
Viele Jahre musste sie sich um ihre Familie kümmern und sich die Zeit zum Schreiben zusammensuchen: eine halbe Stunde, während die Kinder Mittagsschlaf machten, eine halbe Stunde spät in der Nacht. Sie hatte die Geschichten, die sie erzählen wollte, sehr lange im Kopf.
Diese reiften?
Genau, sie weiss viel mehr darüber, als sie erzählt. Das kann man zwischen den Zeilen mitlesen. Es macht Munros eigentümliche Mischung aus: Alles ist so präzise und doch voller Geheimnisse.
In der Vorlage heisst die Tochter Penelope, wie Ihre Lieblingsschauspielerin Penélope Cruz. Sie haben den Namen in Antía umgewandelt. Darf es nur eine Penelope in ihrem Universum geben?
Penelope ist ja eine klassische Figur aus der griechischen Mythologie, sie ist diejenige, die wartet. Im Film aber ist es doch eher ihre Mutter, die nicht weiss, wo ihre Tochter ist. Antía habe ich sie genannt, weil so eine direkte Verbindung zum galizischen Vater entsteht. Der Name ist in dieser Gegend äusserst populär, aber sonst kommt er nirgends vor. Das hat mir gefallen.
Ursprünglich wollten Sie den Film auf Englisch drehen, in New York, nicht wahr?
Ja, dazu habe ich die Geschichten gekauft, vor Jahren. Aber ich bin nicht weitergekommen. Vermutlich bin ich immer noch nicht bereit für ein englischsprachiges Abenteuer. Erst als ich die Juliet aus den Kurzgeschichten in Julieta umtaufte und nach Spanien holte, fiel mir das Schreiben leicht.
Der Schluss des Films spielt in der Schweiz.
Es hat mit dem Comersee zu tun, in Norditalien, Gianni Versace besass eine Villa in der Gegend, ich war einige Male dort. Als ich einen Ort in der Nähe brauchte, kam ich auf die Schweiz.
Weshalb gerade auf Sonogno im Verzascatal?
Geografisch ist mein Bruder und Produzent viel beschlagener als ich. Hey, Agustín, du hast das Dorf gefunden, nicht wahr? (Der Mann, der in der Hotelsuite bis jetzt stumm am Computer sass, dreht sich um und sagt: «Ja, ich war ziemlich oft in Sonogno, auf Google Earth.») Wir brauchten einfach etwas Abgelegenes, wo es auch Platz für Wohnwagen gibt.
Wussten Sie, dass die Schriftstellerin Patricia Highsmith im Nachbartal wohnte?
So nahe? Ich wusste, dass sie in der Schweiz lebte. Sie ist wichtig für mich, wird ja in «Julieta» sogar erwähnt. Ich lernte sie einmal kennen, weil ich einen Roman von ihr verfilmen wollte.
Welchen denn?
«Das Zittern des Fälschers». Es ist lange her, vermutlich 1988, ich war gerade in New York, um Werbung zu machen für meine «Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs». Sie wollte unbedingt diesen jungen Regisseur kennen lernen, der sich für ihr einziges Buch interessierte, für das noch nie jemand die Filmrechte kaufen wollte. Und sie sagte mir sogleich, dass sie alle Verfilmungen ihrer Romane hasse, auch die von renommierten Regisseuren wie Alfred Hitchcock und Wim Wenders. «Wirklich alle», betonte sie.
Haben Sie die Rechte dann bekommen?
Nein. Zuerst war alles kompliziert, sie hatte keinen meiner Filme gesehen. «Ich stelle Ihnen gerne Videokassetten zur Verfügung», sagte ich ihr. Sie antwortete, sie wohne so abgelegen, dass sie keinen Fernseher und kein Abspielgerät besitze, ich solle alles einer Freundin schicken, dann gehe sie da einmal vorbei. Damals schon lebte sie sehr zurückgezogen von der Welt. Aber gut, am Ende ist es nicht daran gescheitert. Sie sagte zu, verlangte aber eine horrende Summe. Ich war erst am Beginn meiner Karriere und konnte mir Frau Highsmith schlicht nicht leisten.
Sie galten damals als wichtigster Regisseur der Madrider Movida-Bewegung. Was ist davon geblieben?
Viele Erinnerungen und viele Lieder. Das Madrid von heute hat nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, was wir in den 80er-Jahren erlebten. Es war eine unglaubliche Explosion der Freiheit.
Und heute?
Ist es das Gegenteil. Die Jungen, auch diejenigen, die studiert haben, finden keine Arbeit. Dass es jetzt zum Beispiel wieder Wahlen geben soll, zum wiederholten Mal, lähmt und frustriert uns. Es ist ein Gefühl der politischen Niederlage, welches das Land imprägniert, seit Jahren. Die Movida dagegen war eine Bewegung des Lichts, der Kreativität. Unsere Tage, unsere Nächte, waren voller Liebe, Sex, Ausgelassenheit – allem, was dazugehörte.
Sind Sie nostalgisch?
Persönlich nicht. Aber ich denke, es gibt so etwas wie ein kollektives Gedächtnis. Und die Erinnerung an die Zeit von 1980 wird eine ganz andere sein als diejenige an die Zeit, in der wir heute leben. Ohne nostalgisch zu sein, wage ich zu behaupten, dass für jene, die im Jahr 3000 die spanische Geschichte untersuchen, die 1980er-Jahre interessanter sein werden als die ab 2010.
Eigentlich sind Sie, um es mit dem Titel eines Truffaut-Filmes zu sagen, «der Mann, der die Frauen liebt». Wieso stellen Sie sie immer wieder ins Zentrum?
Nun, ich könnte Ihnen eine pragmatische Antwort geben: Das weibliche Universum funktioniert bestens für mich, als Regisseur und Drehbuchautor hatte ich meine grössten Erfolge damit. Aber es sind eher die Themen, die mich interessieren. In «Julieta» geht es um die Mutterschaft. Sie können natürlich zu Recht fragen, was ich als schwuler Mann damit am Hut habe. Aber mir geht es diesbezüglich um den Akt der Schöpfung.
Den Akt?
Ha, nicht um den Geschlechtsakt. Wobei, um den geht es auch, es gibt zwei wichtige im Film, immer verbunden mit dem Tod eines Menschen. Aber ich denke bei der Schöpfung eher an die kleine Skulptur, die vorkommt, und die dann buchstäblich von Frau zu Frau wandert. Die Frauen, die das Leben weitergeben, erscheinen mir interessanter zu sein als die Männer. In «Julieta» allerdings ist die Mutterschaft gebrochen, voller Leid und Schmerzen.
Aber ein Vater würde doch auch leiden, wenn sein Kind verschwindet...
...ja, aber der würde das einfach in sich reinfressen. So sind wir Männer. Frauen sind auch in dieser Hinsicht kreativer. Natürlich sind das Klischees. Und es gibt wunderbare Filme über Väter, «El Sur» zum Beispiel. Aber ich schreibe lieber für Frauen.
Sie pflegten zu sagen «Frauen inspirieren mich zu Komödien, Männer zu Dramen». Hier war es offensichtlich nicht so.
Nein, «Julieta» ist wirklich ein nacktes und trockenes Drama, ich habe versucht, alles Überflüssige zu streichen. Darum gibt es keine Verweise auf andere Filme, keine melodramatischen Lieder wie sonst. Nur im Abspann erlaube ich mir eine Ausnahme, so konsequent bin Fortsetzung ich offenbar nicht. Und selbstverständlich werde ich in Zukunft auch wieder über Männer schreiben. Dabei geschieht aber oft etwas Seltsames.
Was denn?
Wenn ich über Männer nachdenke, stelle ich fast immer Geschichtenerzähler in den Mittelpunkt: Schriftsteller und Filmemacher wie mich. Oder aber Psychopathen wie... (zögert)
...wie Sie?!
(lacht) Das wollte ich wirklich sagen, ja, es ist mir fast so rausgerutscht. Nun haben Sie es gesagt. Das ist doch ein gutes Ende für das Interview, nicht wahr? (Deutet auf den Bruder) Wir haben noch einen Termin hier in Paris.
Sofort. Eine letzte Frage noch zur Schweiz. Sie haben nicht wirklich im Tessin gedreht, oder?
Pssst, das soll unser Geheimnis bleiben. Nein, wir drehten in den Pyrenäen. Sieht man das so gut?
Die Berge im Verzascatal sehen schon ein wenig anders aus.
Ich war nahe daran, noch ein paar digitale Kühe in die Szene zu stellen. Aber dann dachte ich mir, das wäre sicher zu viel. Vielleicht hätte ich es doch tun sollen.